Als ich in letzter Zeit verschiedene Spieleblogs durchschaute, fiel mir auf, dass fast alle das Spiel Helvetia besprachen. Da muss wohl was dran sein, dachte ich und habe deswegen ein paar Informationen dazu zusammengestellt.
Helvetia ist ein interessantes und durchaus spannendes Aufbau-, Sammel- und Positionsspiel, bei dem man sich von der Anleitung bzw. dem Spielablauf anfänglich nicht abschrecken lassen darf.
Nach dem ersten Durchlesen der Anleitung scheint es sich um ein sehr kompliziertes und unübersichtliches Spiel zu handeln, aber wenn man einmal ein paar Runden gespielt und sich den Durchblick geholt hat, merkt man sehr schnell, dass das Spiel eigentlich recht einfach und leicht zu spielen ist.Sehr schnell erkennt man dann die Zusammenhänge und das Zusammenspiel der einzelnen Aktionen.
Kosmos meint, dass bei Helvetia Planer eher gefragt sind als Glückspilze und dass das Spiel sowohl für Schweizer als auch für Nicht-Schweizer geeignet ist. 🙂 Helvetia ist nämlich die lateinische Bezeichnung der Schweiz.
In echter Schweizer Tradition wird Helvetia gegen den Uhrzeigersinn gespielt. Alle Spieler sind zunächst damit beschäftigt, ihre Dörfer anzulegen und aufzubauen. Verschiedene Gebäude werden errichtet, in denen entweder einfache oder komplexe Güter erstellt werden können. Bei komplexen Gütern müssen bestimmte Produktionsstufen eingehalten werden, die am Ende zum erwünschten Ergebnis führen. Später kann der Produktionsüberschuss gewinnbringend auf dem Markt verkauft werden, um den Wohlstand der Gemeinde zu sichern. Nur so kann man es sich irgendwann leisten, in Projekte zu investieren, die dem Gemeinwohl dienen und das Dorf in eine neue blühende Ära führen.
Gesteuert werden die Spielprozesse über fünf einflussreiche Dorfpersönlichkeiten, die jeder Spieler gegen Abgabe von Münzen für seine Zwecke einsetzen kann: der Baumeister errichtet neue Gebäude. Der Fuhrmann liefert die produzierten Güter zum Markt. Der Nachtwächter ist die einzige Möglichkeit, um schlafende Bürger zu wecken. Der Pfarrer verheiratet ungebundene Dorfbewohner und die Hebamme hilft dem Nachwuchs auf die Welt.
Spielablauf:
Der Spielplan kommt in die Tischmitte. Die Gebäudeplättchen werden nach der Zahl auf der Rückseite in 3 Stapel sortiert – die Plättchen mit der „1“ kommen (nach Gebäudeart sortiert) offen neben den Spielplan. Die Plättchen mit der „2“ und „3“ werden verdeckt gemischt und als Nachziehstapel bereitgelegt.
Die Personen- und Güterplättchen werden auf dem – die Sonderplättchen – neben dem Spielplan ausgelegt.
Jeder Spieler erhält in seiner Farbe 16 Dorfbewohner, 6 Münzen und 17 Liefersteine, wobei einer davon auf das Feld „0“ der Siegpunktleiste kommt. Außerdem erhält jeder Spieler ein Plättchen „Dorfmitte“, das er vor sich auslegt. Nun werden noch an jeden Spieler 3 Startgebäude vergeben, die diese an ihre Dorfmitte anlegen.
Nun verteilt jeder Spieler 3 Paare (3 Männer und 3 Frauen) seiner Farbe wie folgt:
Paar 1: auf zwei beliebige eigene Gebäude.
Paar 2: 1 Dorfbewohner auf das verbliebene eigene Gebäude und den anderen Dorfbewohner auf die Schule am Spielplan.
Paar 3: 1 Dorfbewohner wird in das Dorf des linken Nachbarn „verheiratet“ (ein Mann wird zu einer Frau gestellt, oder umgekehrt) und der andere Dorfbewohner kommt in die eigene Dorfmitte.Alle Dorfbewohner sind anfänglich wach und werden aufgestellt. Wurde ein Dorfbewohner eingesetzt, schläft er danach ein und die Figur wird umgelegt.Nun nimmt noch jeder Spieler 2 seiner Münzen und legt je 1 davon als „Mitgift“ in die Dorfmitte seines linken und rechten Mitspielers.Das Spiel geht nun über mehrere Spielrunden, die wie folgt ablaufen:
1. Münzen einsetzen und Persönlichkeiten nutzen:
Abwechselnd wählen die Spieler eine Persönlichkeit am Spielplan aus und legen 1 oder mehrer Münzen auf diese Person. Folgende Persönlichkeiten stehen zur Verfügung:
Baumeister:
Für jede Münze darf der Spieler ein Gebäude bauen, wobei darauf zu achten ist, das jeder Spieler jede Gebäudeart nur einmal bauen darf. Besitzt ein Spieler nicht alle geforderten Güter, so können diese (Holz, Ziegel oder Stein) auch für 1 Münze gekauft werden.
Ein Gut wird produziert, indem auf dem entsprechenden Gebäude ein wacher (aufgestellter) Dorfbewohner „schlafen geschickt“ (umgelegt) wird. Für komplexere Güter muss dies auch für vorbedingte Güter durchgeführt werden.
Fuhrmann:
Für jede Münze darf der Spieler ein Gut zum Markt liefern und dies dort mit einem seiner Liefersteine markieren. Jeder Spieler kann somit jedes Gut nur einmal zum Markt liefern – jeder Lieferstein ist 1 Siegpunkt wert. Für spezielle Güter erhält der erste Spieler, der dies zum Markt liefert zusätzlich noch das entsprechende Güterplättchen im Wert von 1 oder 2 Siegpunkten.
Wurde mit der Lieferung auch noch eines der 4 Sonderziele erfüllt, erhält Spieler auch noch das entsprechende Sondersiegpunktplättchen.
Nachtwächter:
Für jede Münze darf der Spieler alle Dorfbewohner 1 kompletten Viertels seines Dorfes aufwecken – d.h. alle Dorfbewohner (eigene und fremde) werden wieder aufgestellt.
Pfarrer:
Für jede Münze darf der Spieler einen eigenen, nicht verheirateten Dorfbewohner aus der Dorfmitte oder der Schule in ein fremdes Dorf verheiraten. Gibt es in dem Dorf in der Dorfmitte noch eine „Mitgift“, so kann er sich eine davon auswählen. Eine eigene „Mitgift“ kommt in den eigenen Vorrat und kann dann als eigene Münze verwendet und genutzt werden, eine fremde „Mitgift“ kommt wiederum in die Dorfmitte.
Hebamme:
Für jede Münze darf der Spieler zu eine Paar im eigenen Dorf 1 Kind (= gekippte Spielfigur) stellen.
Die Runde endet, wenn nur noch 1 Spieler Münzen besitzt – dieser Spieler kommt dann nicht mehr an die Reihe, wird aber Startspieler der nächsten Runde und erhält das Startspielerplättchen, das 1 Siegpunkt wert ist.
2. Vergabe der Personenplättchen und Münzen zurücknehmen:
Auf jeder Persönlichkeit liegt anfänglich ein dazupassendes Personenplättchen. Dieses geht nun – entweder vom Spielplan oder dem entsprechenden Spieler – an den Spieler, der in dieser Runde die meisten Münzen auf der entsprechenden Persönlichkeit eingesetzt hat. Bei einem Gleichstand verbleibt das Personenplättchen wo es ist.
Jedes Plättchen bringt dem Besitzer 2 Vorteile: 1. ist das Plättchen 1 Siegpunkt wert und 2. berechtigt es den Besitzer, zu einer zusätzlichen Aktion mit der entsprechenden Persönlichkeit, wenn er am Zug ist. Jeder Spieler kann nur ein Personenplättchen pro Zug einsetzen – danach wird es umgedreht. Er kann dies aber auch nur tun, wenn er nicht schon gepasst hat.
Nun nehmen alle Spieler ihre Münzen wieder in den eigenen Vorrat zurück.
3. Dorfbewohner kommen aus der Schule in das Dorf:
Alle Dorfbewohner kommen aus der Schule in das eigene Dorf und müssen dort in freie Gebäude einziehen. Ist die nicht möglich kommen sie in die Dorfmitte, bis ein Platz frei wird.
4. Kinder kommen in die Schule:
Nun stellen alle Spieler ihr „Kinder“ vom in die Schule am Spielplan.
5. Anpassung der Siegpunkte:
Jeder Spieler kontrolliert nun seine Siegpunkte und passt seinen Zählstein auf der Siegpunkteleiste entsprechend an.
6. Neue Gebäude:
Nun werden 5 neue Gebäude aufgedeckt (zuerst vom „2“er- und dann vom „3“er-Stapel) und offen zu den anderen Gebäude gelegt.
Danach beginnt eine neue Runde.
Spielende:
Das Spiel endet, wenn bei der Anpassung der Siegpunkte ein Spieler 20 oder mehr Siegpunkte erzielt hat. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen – bei einem Gleichstand gewinnt der Spieler mit den meisten wachen Dorfbewohner. Gibt es auch hier einen Gleichstand, gibt es mehrere Gewinner.
Das Spiel für 2 Spieler hat kleinere, abweichende Spezialregeln.
Eine wirklich gute, ganz ausführliche Spielbeschreibung findet ihr bei boardgamegeek unter diesem Link in deutsch.
Ein Fazit und einige Taktikhinweise fand ich bei weltensicht.de :
Für den Neuling ist Helvetia nicht ganz einfach. Sicher sind die Regeln schnell begriffen, aber die zahlreichen Möglichkeiten, die das Spiel bietet, zu verinnerlichen dauert länger. Dazu gehören die Produktionswege, beispielsweise benötigt man für die Produktion von Ziegenkäse natürlich eine Ziege, diese wiederum gibt nur Milch, wenn sie auch genügend Wasser zum Trinken hat, aber auch die Tatsache, dass für jedes Produkt ein Dorfbewohner erschöpft werden muss. Eine weitere Herausforderung ist die richtige Reihenfolge der eigenen Aktionen. Erst wenn man Nachwuchs hat der die Schule besucht, kann man diesen in andere Dörfer verheiraten und dort Gebäude nutzen, oder eigene neue Gebäude besetzen. Da die Dorfbewohner nach einmaliger Nutzung der Gebäudefunktion erschöpft sind und schlafen, müssen diese natürlich regelmäßig wieder geweckt werden. Soll man nun darauf hoffen, dass ein Mitspieler dies erledigt oder selbst aktiv werden?
Bei Helvetia sind unterschiedliche Strategien möglich. So kann man das eigene Dorf vergrößern oder in die anderen Dörfer einheiraten, um an ein spezielles Produkt zu kommen. Wichtig ist aber immer, dass man seine Mitspieler und deren Aktionen beobachtet.
AEIOU meint dazu:
HELVETIA ist fulminantes Strategiespiel! Dank des hervorragend umgesetzten Spielthemas erscheinen alle Aktionsmöglichkeiten natürlich und deren Auswirkungen auf das Spiel naheliegend. Schnell taucht man in das Dorfleben ein und tüftelt Strategien aus.Allerdings merkt man schnell, dass das Dorfleben keineswegs so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint. So verspricht eine Eheschließung zwar oftmals eine Mitgift und zusätzliche Güter, aber sie gestattet dem Gegenspieler auch eine effizientere Nachwuchsplanung und eine Einflussnahme auf die Produktivität.Dann wird halt nicht geheiratet? Von wegen! Die Familie ist in HELVETIA der Schlüssel zum Erfolg, und daher sollte man weiterhin in den Nachbarorten nach vielversprechenden Junggesellen und Jungesellinnen Ausschau halten.HELVETIA kann sowohl Familien als auch Vielspielern empfohlen werden. Die Spielregeln bieten Varianten an, mit denen der Spielverlauf vereinfacht und beschleunigt werden kann.
Auch ludoversum gibt einige gute Tipps zu dem Spiel.
Ein Interview mit dem Autor Matthias Cramer findet ihr hier.
Ein kurzes Erklärvideo findet sich bei spiele-offensive.de
Weitere Besprechungen findet man auch in den folgenden Blogs:
http://www.spielevater.de/
http://members.chello.at/topolino/
http://www.ratgeberspiel.de/spielwelt/spieltests/brettspiele/helvetia-dorfer-bauen-paare-trauen/